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Trendblick Handel und Zahlung


ZWISCHEN KONTROVERSE UND POTENTIAL:
SONNTAGSÖFFNUNG VON MICRO-MARKETS

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Chance für die Nahversorgung auf dem Land oder schleichende Gefahr für den Sonntagsschutz? Zeitgemäßer Komfort oder überflüssige Verkaufsförderung? Micro-Markets sind ein Trend des Handels: Kleinstsupermärkte, die auf engstem Raum ein begrenztes Sortiment für den täglichen Bedarf anbieten. In der allgemeinen Wahrnehmung liegen sie irgendwo zwischen Verkaufsautomat und Supermarkt – sowohl was das Sortiment als auch was den Personaleinsatz betrifft. Direkten Service erhalten die Kund:innen meist nicht, der gesamte Einkauf funktioniert via Self-Service, auch am Ende beim Bezahlen. Ein Handelskonzept, das sich besonders für den Verkauf an Sonn- und Feiertagen eignet. Aber genau das birgt auch Diskussionspotential.

DEN SONNTAG SCHÜTZEN

Gegen die Öffnung von Kleinstmärkten an Sonn- und Feiertagen positioniert sich in Deutschland insbesondere die „Allianz für den freien Sonntag“, ein bundesweites Netzwerk, das sich seit 2006 für den Sonn- und Feiertagsschutz einsetzt. Auf Bundes-, Landes- und regionaler Ebene sind vor allem kirchliche Organisationen und Gewerkschaften, aber auch Familienverbände und Nichtregierungsorganisationen beteiligt.

In der Allianz für den freien Sonntag engagiert sich unter anderem auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland. Corinna Groß, Bundesfachgruppenleiterin Einzelhandel beim ver.di-Bundesvorstand, erläutert, weshalb die Sonntagsschließung auch für Supermärkte ohne Verkaufspersonal gelten sollte:

„Für ver.di ist es selbstverständlich, dass auch teilautomatisierte Supermärkte und vergleichbare Verkaufsstellen dem verfassungsrechtlich garantierten Sonntagsschutz unterliegen. Das gilt auch für sogenannte Micro Märkte, die vorgeben personallos zu arbeiten. Fakt ist aber, auch diese Märkte müssen von Beschäftigten im Einzelhandel am Wochenende beliefert, verräumt und gereinigt werden. Deshalb lehnen wir die Sonntagsarbeit auch in diesem Zusammenhang ab. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat unsere Haltung als Gewerkschaft mit seinem jüngsten Urteil klar gestützt, indem er die herausgehobene gesellschaftliche Bedeutung des arbeitsfreien Sonntags hervorgehoben hat. Gemeinsam mit unseren Partnern in der Allianz für den freien Sonntag werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Politik in allen Bundesländern dieser Bedeutung gerecht wird.“

Corinna Groß, Bundesfachgruppenleiterin
Einzelhandel beim ver.di-Bundesvorstand

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte Ende Dezember 2023 nach einem zweijährigen Rechtsstreit zwischen der Stadt Fulda und dem Handelsunternehmen tegut entschieden, dass dessen „teo“-Märkte nicht an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Zwar werde der Arbeitnehmerschutz in den Märkten lt. Urteilsbegründung gewährleistet, das Hessische Ladenöffnungsgesetz diene allerdings auch dem Ziel, Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung für die Gesellschaft insgesamt zu schützen.

VERSORGUNG SICHERN

Maximilian Eifler, Brand Communication Manager tegut... teo, zeigt hingegen die Chancen von Micro-Markets wie „teo“ auf:

„Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, unbemannte Geschäfte, wie ‚teo‘ auch an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Unser ‚teo‘ funktioniert an Sonn- und Feiertagen ganz ohne Personal, weshalb an diesen Tagen keine Mitarbeitenden im ‚teo‘ arbeiten müssen. Der Einkauf in unbemannten Stores erfolgt durch unsere Kundinnen und Kunden ganz autonom, und dabei ist es gleich, mit welcher Technik (Scan & Go oder Grab & Go) sie funktionieren oder an welchen Standorten sie öffnen. Wir verstehen ‚teo‘ als begehbaren Warenautomaten: ein begrenztes Warenangebot für Dinge des täglichen Bedarfs auf kleinstem Raum, zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar. Unser Konzept entspricht der Idee eines Warenautomaten, denn ‚teo‘ ist in seiner Größe begrenzt und genau so konzipiert, dass wir auch auf kleinem Raum ein gut sortiertes Sortiment für den täglichen Bedarf anbieten. Das braucht man nicht nur für den Einkauf zwischendurch, sondern auch für die Nahversorgung auf dem Land. Denn leider haben wir in Deutschland eine Vielzahl von Regionen, in denen es diese nicht gibt.

Diese Lücke wollen wir mit unseren ‚teos‘ schließen. So können wir mit unserem Konzept einen Mehrwert für die Lebenswirklichkeit aller Bevölkerungsschichten, von jung bis alt, in Stadt und Land, ermöglichen.

Damit unbemannte Stores aber auch wirtschaftlich betrieben werden können, benötigt es eben auch die umsatzstärksten Tage, wie Sonn- und Feiertage, an denen sie sich außerhalb der Konkurrenz von Supermärkten behaupten können. In vielen anderen Ländern innerhalb der EU sind unbemannte Geschäfte längst etabliert. Warum nicht auch in Deutschland? Es ist überfällig, dass es für diese Art der Digitalisierung eine realitätsnahe und zeitgemäße gesetzliche Regelung gibt. Der Gesetzgeber sollte gemeinsam mit der Wirtschaft technologische Neuerungen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher vorantreiben. Wir würden uns freuen, wenn die aktuelle Diskussion so geführt wird, dass wir in Deutschland für unbemannte Stores zukünftig eine einheitliche Gesetzgebung haben, die es bis zu einer gewissen Größe ermöglicht, ohne die Mitarbeit von Personal an Sonn- und Feiertagen überall zu öffnen.“