Wert und Weg eines souveränen Bezahlsystems
DER STILLE
BEZAHLCHAMPION
DER ZUKUNFT
Gastbeitrag Dr. Joachim Schmalzl, Deutscher Sparkassen- und Giroverband
Fast unbemerkt schlummert sie in vielen Portemonnaies. Sie fällt kaum auf, ist aber aus unserem Alltag nicht wegzudenken: die girocard. Millionen Menschen in Deutschland bezahlen seit über 30 Jahren mit der „ec-Karte“. Obwohl sie schon vor 16 Jahren den griffigeren Namen girocard erhalten hat, hält sich der umgangssprachliche Name „ec-Karte“ hartnäckig. Warum ist das so?
Die Eurocheque-Karte, von der sich die Abkürzung „ec“ ableitet, war damals die Erste ihrer Art. Und so ging die Abkürzung in den allgemeinen Sprachgebrauch über. Aus „Eurocheque“ wurde das „electronic cash“-Verfahren. Damit hat die Deutsche Kreditwirtschaft ein sicheres elektronisches Bezahlmittel lanciert und das Bezahlen in Deutschland nachhaltig revolutioniert. Die ec-Karte wurde so zum Synonym für bargeldloses Bezahlen – ein „stiller“ Alltagsbegleiter, der immer und überall funktioniert, ohne dass man über die vielen Anwendungsmöglichkeiten nachdenken muss.
Von der Revolution zur Evolution
Seitdem ist jedoch einiges passiert: Aus der ec-Karte ging die girocard hervor, deren Geschichte für den Erfolg einer nationalen Bezahlkarte im europäischen Zahlungsverkehr steht. Werfen wir einen Blick zurück, sprechen die Zahlen für sich: Statistisch gesehen hat jede Bürgerin und jeder Bürger mindestens eine girocard im Portemonnaie. Bundesweit gab es 2023 mehr als 1,1 Millionen girocard-Akzeptanzstellen. Im stationären Einzelhandel hält die girocard mit 42 Prozent den größten Umsatzanteil. Still und verlässlich wurde sie zum Bezahlchampion in Deutschland.
girocard-Jahreszahlen 2023
Auf diesem Erfolg ruht sich die girocard aber nicht aus. Unsere sich stark digitalisierende und vernetzte Welt bietet neue Chancen und Herausforderungen und fordert die girocard heraus. Wird man den Wünschen der Menschen beim Bezahlen gerecht? Gibt es Bezahlsituationen, die der aktuelle Status quo nicht abdeckt? All diesen Fragen stellt sich auch die girocard. Wie seinerzeit die ec-Karte steht nun die girocard davor, dieses neue Zeitalter mit zu prägen.
Neue girocard-Ära
Aus der girocard als „Kartenzahlungssystem“ muss in Zukunft ein ganzheitliches und vielseitig einsetzbares Zahlungssystem werden, das weiterhin „Karte kann“. Ein nicht zu unterschätzendes, aber notwendiges Vorhaben, dem sich die Deutsche Kreditwirtschaft gemeinsam mit der EURO Kartensysteme verschrieben hat. girocard 4.0 ist der Name für eine neue Ära, in der wir für jede Bezahlsituation für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie den Handel eine sinnvolle Alternative zu anderen kartenbasierten Lösungen anbieten. Das schaffen wir mit unserem innovativen Gestaltungswillen, Kundennähe und allen voran in gemeinschaftlicher Symbiose mit den am Erfolg der girocard beteiligten Partnern und Unternehmen. Wir nennen das auch Co-Creation. Zukünftige Weiterentwicklungen der girocard können nur dann erfolgversprechend sein, wenn die Bedürfnisse aller Marktteilnehmenden berücksichtigt werden. Genau das geschieht: Viele innovative Köpfe arbeiten gemeinsam an der Zukunft der girocard.
Dr. Joachim Schmalzl ist seit März 2016 geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), des diesjährigen Federführers der Deutschen Kreditwirtschaft. Seit 2020 ist er zudem Verwaltungsratsvorsitzender der European Payment Initiative. Zuvor war er fast 20 Jahre im Vorstand der Stadtsparkasse Köln und deren Nachfolgerin, der Sparkasse KölnBonn, tätig.
Klar ist: Die girocard muss im digitalisierten Bezahlprozess aufholen. Jene Stärke, die sie aktuell im stationären Handel mitbringt, muss die girocard auch in digitalen Bezahlkanälen über verschiedene Handelsapps oder in Bezahlplattformen und in sogenannten Wallets einbringen. Denn die girocard wird nicht auf ewig Deutschlands liebste Bezahlkarte bleiben, wenn sie den aktuellen Erwartungen der Marktteilnehmenden nicht entspricht. Kritische Stimmen möchten sagen, dass sich in jener Ära, in die die girocard vordringen möchte, andere längst behauptet haben und der Nachfrage von Nutzenden und Akzeptanzstellen bereits begegnet sind. Braucht es dann noch ein nationales Bezahlsystem? Was würde schon passieren, wenn die girocard wegfällt?
Was wäre, wenn?
Mit Wegfall der girocard würde Deutschland nicht nur ein erfolgreiches Zahlungsverkehrssystem verlieren, sondern es ginge auch ein großes Stück Souveränität für die Zahlungsverkehrslandschaft in Deutschland verloren. Die girocard ist kein System, das nur kreditwirtschaftliche Institute am Leben erhält, sondern eines, das allem voran wirtschaftliche Mehrwerte für den Handel und die Käuferinnen und Käufer liefert. Bei einer Verdrängung der girocard könnten die Kosten für den Handel um 50 Prozent steigen. Dies könnte für den gesamten Einzelhandel Mehrausgaben in Millionenhöhe bedeuten. Kosten, die am Ende Verbraucherinnen und Verbraucher zu tragen hätten. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie des CFin Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule im Auftrag der EURO Kartensysteme. Die mehrdimensionale Kosten-Nutzen-Analyse spricht für sich: Gäbe es das girocard-System nicht, müsste man es erfinden. Wir brauchen unseren stillen Bezahlchampion auch in Zukunft noch – ob als girocard 4.0, 5.0 oder x.0.
Mehr zum girocard-Innovationsprojekt erfahren Sie auch auf der diesjährigen DK-Info am 12. und 13. Juni in Berlin. Zur Anmeldung geht es HIER entlang.
In Europa für Europa gemacht
Wir dürfen den Zahlungsverkehrsmarkt in Deutschland aber nicht isoliert betrachten. Auch wenn das girocard-System für ein national souveränes Bezahlsystem steht, basiert es auf internationalen und europäischen Standards, die ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Investitionssicherheit bieten. Wie bei girocard 4.0 braucht es für die Weiterentwicklung des europäischen Zahlungsverkehrs ebenso einen partnerschaftlichen Ansatz. Denn Europa braucht eine Zahlungsverkehrsinfrastruktur, die von Marktteilnehmenden aus Europa für Marktteilnehmende in Europa gemacht wird. Die European Payment Initiative leistet mit wero als digitalem Wallet hierbei echte Pionierarbeit. Ein Wallet, das auch nationale Bezahlsysteme wie die girocard integrieren kann und Käuferinnen und Käufer die Wahl lässt. Als girokontobasiertes Zahlungssystem leistet wero in Zukunft einen wichtigen Beitrag für den Handel sowie Verbraucherinnen und Verbraucher, einfach bezahlen zu können – über die nationalen Grenzen hinaus in Echtzeit und auch in komplexen Anwendungsfällen. Ganz nach dem Vorbild der girocard schaffen die an der EPI-Gesellschaft Beteiligten eine europäische Alternative zu Wallet- und E-Payment-Anbietern und bereichern die Zahlungsverkehrslandschaft. Das ist wichtig: Damit wächst nicht nur die europäische Finanzbranche näher zusammen, sondern auch Europas volkswirtschaftliche Souveränität gewinnt an Stärke.