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Politik


Raus aus der Abhängigkeit

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Gastbeitrag von Michael Schrodi,
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen

Europa muss beim Bezahlen unabhängiger werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen globalen Entwicklungen setzt die Koalition auf den digitalen Euro und andere Zahlungslösungen „made in Europe“. Gleichzeitig will die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Wahlfreiheit beim Bezahlen so umsetzen, dass sie auf weitere Regierungsziele einzahlt – zum Beispiel mehr Steuergerechtigkeit.

Michael Schrodi, 1977 in München-Pasing geboren, ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags und seit 2025 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Lars Klingbeil. Vor seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten war der SPD-Politiker und zweifache Familienvater als Gymnasiallehrer tätig.

Das Zahlungsverhalten in Deutschland hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. So zeigen die regelmäßigen Untersuchungen der Deutschen Bundesbank, dass signifikante Teile der Bevölkerung zwar im Grundsatz weiterhin Bargeld als Zahlungsmittel bevorzugen.1 In der Praxis haben unbare Zahlungen jedoch – zumindest in Bezug auf die damit umgesetzten Volumina – das Bargeld in Deutschland als gängigstes Zahlungsmittel mittlerweile abgelöst.
 
Auf der Seite der Zahlungsempfänger zeichnet sich der Trend zur Nutzung unbarer Zahlungsmittel demgegenüber noch nicht so klar ab. Zwar hat laut der zitierten Studienreihe der Deutschen Bundesbank die Akzeptanz von unbaren Zahlungsmitteln an physischen Zahlungsorten im Zeitverlauf zugenommen, vor allem während und unmittelbar nach der Covid-19-Pandemie. Die Akzeptanzquote liegt jedoch in einzelnen Bereichen zum Teil weiterhin deutlich unterhalb der Akzeptanzquote von Bargeld. Die Akzeptanz von Bargeld ist demgegenüber nach wie vor weit verbreitet. Allerdings lässt sich im Zeitverlauf eine Abnahme von physischen Zahlungsorten feststellen, die Bargeld akzeptieren.

Wahlfreiheit soll auf weitere Regierungsziele einzahlen

Die Regierungsparteien von CDU, CSU und SPD haben auf diese Trends reagiert und sich im Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode „Verantwortung für Deutschland“ darauf verständigt, sich für eine echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr einzusetzen. Entsprechend der gestiegenen Präferenz der Bevölkerung für unbare Zahlmethoden soll die Akzeptanzquote von digitalen Bezahloptionen erhöht und schrittweise mindestens eine digitale Alternative angeboten werden. Gleichzeitig soll das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten und seine Verfügbarkeit auch in Zukunft sichergestellt werden, da ein signifikanter Teil der Bevölkerung nach wie vor auf diese inklusive und resiliente Zahlungsart setzt. Ziel des Koalitionsvertrages ist, dass jede und jeder bei Geschäften des Alltags weiterhin selbst entscheiden kann, wie sie oder er bezahlt. Regierungsintern laufen aktuell die Überlegungen, wie die Maßgabe des Koalitionsvertrages ressourcenschonend und bürokratiearm umgesetzt werden kann. Im Rahmen der Umsetzung wollen wir sicherstellen, dass die Schaffung einer echten Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr auch auf weitere Ziele der Bundesregierung einzahlt.

Das gilt zum einen für das Ziel, Steuerhinterziehung zu bekämpfen und mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen. Zu diesem Zweck haben sich die regierungsbildenden Parteien im Koalitionsvertrag vor allem auf die Einführung einer Kassenpflicht ab einem Umsatz von 100.000 Euro verständigt. Die Kassenpflicht soll zukünftig unabhängig davon gelten, ob im Geschäftsverkehr bar oder unbar bezahlt wird. Zugleich erkennen wir als Bundesregierung aber auch in der verstärkten Nutzung digitaler Bezahlmethoden Potenzial zur Verbesserung des Steuervollzugs. Digitale Transaktionen erhöhen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Umsätze, da eine Verschleierung der digitalen Spuren dieser Transaktionen nur mit einem gewissen Aufwand möglich wäre.
 
Zum anderen müssen wir bei der Schaffung von Wahlfreiheit beim Bezahlen an der Ladenkasse die in Europa derzeit mit Nachdruck vorangetriebenen Initiativen zur Stärkung der strategischen Autonomie und Resilienz unseres Zahlungsverkehrs im Auge behalten. Viel zu lange haben wir uns im Bereich des Zahlungsverkehrs – wie auch in anderen Bereichen – in strategische Abhängigkeiten begeben, die vor dem Hintergrund aktueller globaler Entwicklungen neu und kritisch zu bewerten sind.

60 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworten die geplante Wahlfreiheit beim Bezahlen.

Rückenwind für europäische Zahlungslösungen

In Europa müssen wir unabhängiger und widerstandsfähiger werden. Das gilt auch für das Bezahlen. Innovative und sichere europäische Zahlungslösungen können hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten. In diesem Zusammenhang unterstützt und begrüßt die Bundesregierung ausdrücklich innovative privatwirtschaftliche Zahllösungen „made in Europe“, wie sie aktuell – etwa auf Grundlage der neuen Echtzeitüberweisungsinfrastruktur in der EU – entstehen.

Gleichzeitig brauchen wir aber auch ein öffentliches Angebot zum digitalen Bezahlen „made in Europe“: den digitalen Euro. Wir sind überzeugt, dass die Einführung eines digitalen Euros zukünftig einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung der Unabhängigkeit des Zahlungsverkehrs in Europa leisten kann. Dabei stellen wir uns auch zukünftig ein Nebeneinander von Zentralbankgeld und privatwirtschaftlichen Zahlungsdiensten vor. Die unterschiedlichen Ansätze haben unterschiedliche Stärken, die wir für Europa bestmöglich nutzen sollten. Wir wollen sicherstellen, dass die schrittweise Einführung einer digitalen Zahloption in Deutschland diesen neuen europäischen Zahlungslösungen – privaten wie öffentlichen – bei ihrer Etablierung auf dem Markt zusätzlichen Rückenwind verleiht.
 
Insgesamt bietet die Schaffung einer echten Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr vielfältige Vorteile, die wir als Bundesregierung nutzen wollen. Nach den Ergebnissen der von der Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V. in Auftrag gegebenen Civey-Umfrage „Wahlfreiheit beim Bezahlen“ bewerten gut 60 Prozent der Befragten das Vorhaben der Bundesregierung als richtig. Das empfinden wir als Bestätigung unserer Ambitionen.

1 Studienreihe „Zahlungsverhalten in Deutschland“, letzte Zahlen aus 2023