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ProCHIP Das Online-Magazin der Initiative Deutsche Zahlungssysteme e. V. // 2025

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EINE FRAGE, VIELE PERSPEKTIVEN

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„Welche Bedeutung hat für Sie das Spannungsfeld zwischen politischer oder wirtschaftlicher Souveränität und globaler Verflechtung – und wie beeinflusst diese Sichtweise Ihr Verhalten im Alltag?"

Konstantin Chatzis

Koordinator Vertriebszentrum GIRO/Zahlungsverkehr, Kreissparkasse Ludwigsburg

Die jüngsten Ereignisse gefährden zunehmend demokratisch-liberale Wertesysteme wie das unsere in Europa. Neue und erstarkende Gegner stellen uns vor große Herausforderungen – dazu gehören autokratisch geprägte Wirtschaftsmächte, gewaltsame Konflikte und der Zerfall von Bündnissen.Der Traum eines schnellen Siegeszugs der Demokratie und eines freien Welthandels ist vorerst ausgeträumt. Deshalb ist es umso wichtiger, Abhängigkeiten in den Bereichen Sicherheit, Energie und Digitalisierung abzubauen und die europäische Souveränität zu stärken. Ich vertrete daher die Überzeugung, dass Europa dringend ein eigenes, unabhängiges Bezahlsystem braucht, um wirtschaftliche Handlungsfähigkeit und Freiheit langfristig zu sichern.

Dr. Julia Pohle

Co-Leiterin WZB Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung", Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

Unsere global verflochtenen digitalen Infrastrukturen, Dienste, Technologien und Lieferketten sind über Jahrzehnte gewachsen und bedürfen einer grundlegenden, nachhaltigen Neuausrichtung. Dazu braucht es vor allem den politischen Gestaltungswillen, unsere globale digitale Ordnung neu zu definieren, die wirtschaftliche Stärke, sich aus einseitigen Abhängigkeiten zu lösen – und auch wenn das anfänglich mit Unsicherheiten und Einbußen einhergeht – nicht zuletzt die bewusste Entscheidung jeder Einzelnen, digitale Selbstbestimmung nicht bloß einzufordern, sondern sie aktiv durch das eigene Nutzungsverhalten mitzugestalten.

Peter Ehrl

Vorstand, Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V.; Geschäftsführer, Ernst Kühner e.K.

Politische und wirtschaftliche Souveränität bedeutet für mich, dass wir in Europa eigene, verlässliche Infrastrukturen im Zahlungsverkehr bewahren. Wer hier ausschließlich auf internationale Kartenanbieter setzt, riskiert Abhängigkeiten, die sich im Alltag ganz konkret bemerkbar machen – von der Bankfiliale bis zum Zahlungsterminal. Die girocard zeigt, dass wir mit einer europäischen Lösung technologische Sicherheit und Kundennähe verbinden können. Diese Qualität sollten wir weder leichtfertig aufgeben noch unterschätzen.

Susanne Raupbach

Geschäftsführerin, EURO Kartensysteme GmbH

Für mich bedeutet das Spannungsfeld zwischen Souveränität und globaler Verflechtung, bewusst zu hinterfragen und immer wieder neu zu entscheiden, wie sehr ich mich allein auf internationale Systeme und Konzerne verlassen will. Einerseits schätze ich die Freiheit, globale Dienst zu nutzen. Andererseits ist mir wichtig, dabei meine eigene finanzielle Verantwortung und gewisse Unabhängigkeit zu bewahren.In meinem Alltag spiegelt sich das vor allem in meinem Zahlverhalten wider. Ich nutze für meine Zahlungen gerne und viel meine girocards – egal ob als physische oder digitale Karte. Die girocard zeigt für mich, dass man nicht zwischen globaler Vernetzung und nationaler Unabhängigkeit wählen muss. So werden internationale Standards und Kooperationsmöglichkeiten genutzt, sie bleibt aber ein gemeinsames deutsches Erfolgsprojekt. Für mich bedeutet das: Wir müssen nicht erst Alternativen schaffen, sondern das stärken, was bereits da ist und täglich millionenfach funktioniert.

Carlos Gómez-Sáez

Vorsitzender der Geschäftsführung, VR Payment GmbH

Nur wer eigenständig und unabhängig Entscheidungen trifft, kann frei leben und handeln. Das gilt für das Individuum genauso wie für Unternehmen, den Staat oder unsere europäische Gemeinschaft. Immer wichtiger wird dabei: die Hoheit über unser Geld – und damit Souveränität im Zahlungsverkehr. Mit wero, dem neuen europäischen Zahlungssystem der EPI-Initiative, entsteht eine Infrastruktur, die genau diese Unabhängigkeit stärkt. Wir bei VR Payment bringen deshalb unsere Expertise im Acquiring ein, um Händlerinnen und Händlern in Europa mit wero eine starke, sichere und praxisnahe Alternative zu außereuropäischen Zahlungssystemen zu bieten.

Evelyn Regner

Mitglied des Europäischen Parlaments, Sozialdemokratische Partei Österreichs, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON)

Politik und Wirtschaft gehören untrennbar zusammen. Wer über politische Souveränität spricht, muss auch über wirtschaftliche Unabhängigkeit sprechen. In einer Zeit, in der internationale Beziehungen zunehmend von Spannungen geprägt sind, braucht Europa mehr eigene Stärke und Entscheidungsfreiheit. Der digitale Euro ist dafür ein wichtiger Schritt. Er macht uns wirtschaftlich widerstandsfähiger und sichert unsere politische Handlungsfreiheit in einer immer komplexeren Welt.

Sebastian Krauß

Bundesgeschäftsleiter Politik Inland, Der Mittelstand Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW)

Der Erfolg des Mittelstands „made in Germany” gründet auf langjährigen und verlässlichen Geschäftsbeziehungen weltweit. In Zeiten geopolitischer Umbrüche zeigt sich jedoch, wie verletzlich offene Märkte und internationale Wertschöpfungsketten sein können. Umso wichtiger ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts konsequent zu stärken und bürokratische wie kostenintensive Hemmnisse abzubauen. Nur so bleibt die Stimme der mittelständischen Wirtschaft auch international von Gewicht und findet Gehör in globalen Entscheidungsprozessen. Souveränität bedeutet in diesem Kontext nicht Abschottung, sondern die Fähigkeit, weiterhin als verlässlicher und attraktiver Partner auf Augenhöhe zu agieren.

Anja Schraml

Stellvertretende Geschäftsführung und Key Account Managerin, FHDS Solutions & Services GmbH

Als selbstständige Unternehmerin erlebe ich das Spannungsfeld zwischen politischer und wirtschaftlicher Souveränität und globaler Verflechtung täglich in meiner Arbeit. Für unser Familienunternehmen ist es entscheidend, eigenständig planen und handeln zu können, gleichzeitig bin ich in vielen Bereichen auf internationale Netzwerke, Märkte und Entwicklungen angewiesen. Diese Balance verlangt, dass ich flexibel bleibe, Risiken abwäge und Chancen durch Zusammenarbeit nutze.Im Alltag zeigt sich das zum Beispiel darin, dass ich Lieferketten und Partner bewusst auswähle, regionale Strukturen stärke, aber auch globale Möglichkeiten in meine Strategie einbeziehe. Für mich bedeutet Souveränität nicht Abgrenzung, sondern die Fähigkeit, eigenständige Entscheidungen zu treffen – auch im Kontext weltweiter Verflechtungen.Als Mutter zweier Kinder spielt dabei zusätzlich der Gedanke eine Rolle, wie wichtig stabile Rahmenbedingungen für die nächste Generation sind. Deshalb versuche ich, beruflich wie privat Verantwortung zu übernehmen und mit meinen Entscheidungen Nachhaltigkeit und Offenheit zu verbinden.

Mirko Torgen Oesau

Leiter strategische Beratung und Vertrieb, SRC Security Research & Consulting GmbH

Gerade im Zahlungsverkehr wird das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher und politischer Souveränität besonders sichtbar. In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass Fragen rund um die Zahlungsinfrastruktur zunehmend politisch betrachtet werden. Europa – und damit auch Deutschland – braucht eigene, verlässliche Zahlungssysteme wie wero oder girocard, denn der bargeldlose Zahlungsverkehr ist eine kritische Infrastruktur. Andererseits profitieren wir von globalen Standards und dem reibungslosen Zusammenspiel zwischen nationalen und internationalen Zahlungssystemen. Entscheidend ist, dass jeglichen Abhängigkeiten entgegenwirkt wird. Im Alltag bedeutet das für mich, wo möglich bewusst europäische Lösungen einzusetzen.